Japan-Südkorea     Dezember 2008  

Moin moin an alle,

ich habe mich mal wieder an einem Reise-Tagebuch versucht. Start 2.12. 2008, 12.51     Viel Spaß!

Bis jetzt hat alles geklappt. "Bis jetzt" heißt Frankfurt. Ich bin zwar etwas zu spät gelandet - zu viel Verkehr über FFM - aber es war ja genug Puffer. An meinem Gate lungern schon zwei Millionen Japaner rum. Aber ich bin erstmal schnurstracks vorbei zur Lounge. Muss doch noch mal probieren, ob ich online komme. In Leipzig ging's nicht. Man musste zahlen. Oder ich war zu blöd. Na ja - wie man sieht, bin ich auf der Leine. Und gleich auch wieder weg: Maschine zum Einstieg bereit. Nächste Meldung also aus Tokio. Bis gleich. 

Welcome to Japan

Das Land der aufgehenden Sonne? Für mich die russische Küste bei Wladiwostok. Sah zwar sehr karg für Japan aus, aber passte irgendwie. Und wie gesagt: die Sonne ging so bilderbuchmäßig über dem Meer auf. Aber dann flimmerte plötzlich der Kabinenbildschirm auf und präsentierte mir die Flugkarte: Russland. Na ja. Ansonsten stelle ich mal wieder fest, dass das Leben einem die meisten Entscheidungen abnimmt oder Entscheidungen durch Missverständnisse getroffen werden. Ich kriege meine Menü-Karte und kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich japanisch speise oder „westlich“. Das Leben in Gestalt der Stewardess entscheidet sich für „westlich“ und ich bin ganz zufrieden. Shrimps als Vorspeise, Feldsalat, französischer Rotwein, dann Zander – ich entscheide mal selbst trotz Fisch beim Rotwein zu bleiben – und zum Schluss Schokoladen-Mousse und einen Baileys. Ich will auch mal als Erster einen Film gesehen haben, also schau ich mir die 156. Verfilmung von Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ an. Kann man tun, allein, weil Brendan Fraser die Hauptrolle spielt. Und der Film ist so frisch, dass noch nicht mal die richtige Synchronisation zu hören ist. Eine Stimme mit Ami-Akzent spricht Herrn Fraser, alles etwas blechern und emotionslos. Aber egal: Film gesehen! Und ich denke mal, vor Uwe. Nach dem Essen gibt’s dann endlich WALL-E. Sehr schön. Mehr muss man dazu nicht sagen.
Ich kämpfe mit dem Schlafsessel und vor allem mit der Zugluft. Mal wieder saukalt am Boden in der Maschine. Meinem Nachbarn geht es irgendwann genauso und er ist clever: Er besorgt sich eine zusätzliche Decke von einem der leer gebliebenen Sitze – und ich bekomme auch gleich eine ab. Irgendwann wird es schön warm an den Füßen und ich kriegen ein paar Mützen voll Schlaf. Es folgt die obige aufgehende Sonne und das entscheidende Missverständnis. Ich sehe wohl very british aus, bin einer der wenigen ohne Geschäftsreisenden-Staat, jedenfalls denkt der Stewart, er müsse englisch mit mir reden und ich verstehe sein „Japanese Breakfast“ nicht richtig. Also nehem ich das andere, bei dem ich „Eggs“ heraushöre. Ich esse also wieder „westlich“. Ein wenig rette ich es mit grünem Tee, na ja…

Und nun? „Bitte schnallen Sie sich an“. Es geht nach unten.
Ich musste einpacken. Hier der Nachschlag: Ich denke, ich habe noch nie ein Land gesehen, dass so in Parzellen eingeteilt ist wie Japan. Es sieht aus der Luft aus wie eine riesige Landkarte. Nur Grün gibt es kaum. Alles abgezirkelt, alles genau strukturiert. Und da: eine kleine gewundene Aue, 10 Bäume. Und noch eine. Bei der dritten fällt’s auf: Kunst, Landschaftsgärtnerei. "Natürlich" gibt es hier nicht. Jedenfalls nicht im Großraum Tokio. Wir drehen jetzt ein in die Bucht von Tokio. Ich erahne das Meer. Es ist sonnig, aber die Smogschichten geben nur nach und nach die Stadt frei. Wolkenkratzer schälen sich aus dem Nebel, endlos. Und plötzlich wird mir der riesiege Berg bewusst. Der Fuji – steht einfach so hinter der Stadt, schneebedeckt, wunderschön. Grandios!


Willkommen in Japan! Hab ich jetzt schon drei mal gelesen. Freundlich sind sie ja, die kleinen Japaner. Ich bin völlig problemlos durch den Zoll gekommen. Ein nicht so kleiner Japaner wollte kurz wissen, was ich hier will. Smalltalk und ich war durch. Gleich hinter dem Exit ist in der Halle der Schalter von Uwes Bus-Anweisung. Mein Bus fährt von Bahnsteig 11 und geht in dieser Minute. Oder auch nicht. Denn hier offenbart sich das erste Mal die japanische Zuvorkommenheit: Der Bus wird angerufen und wartet, ein Mädel schnappt sich meinen Koffer, während ihre Kollegin mir das Ticket ausfüllt. Eine Minute später hab ich dank Karte bezahlt und laufe meinem Koffer hinterher. Ich sitze kaum, als sich ein junger Mann mehrfach verbeugt, den Fahrer vorstellt, noch was sabbelt und den Bus nach einem weiteren Diener verlässt. 60 Kilometer bis Tokio. Schnurgerade Autobahn. Und alle Landschaft gestaltet.
Peking vs. Tokio. In Peking ist der Beton überwiegend an der Peripherie oder gar in den Außenbezirken aufgehäuft. In Tokio ist es genau umgekehrt, also eher westlich. Alles ist sauber, nahezu geleckt. Die chinesische Moderne wirkt im Vergleich dann doch etwas bäuerlich. Tokio ist schon irgendwie die Stadt der Zukunft, auch wenn einem so eine Zukunft vielleicht nicht gefällt. Alle Bauten sehr hell. Der Verkehr über die Autobahnen läuft reibungslos. Nicht ein Stau bis zum Hotel. Und das Hotel ist ein Traum. Nur Uwe steht nicht in der Lobby. Er hat auch noch vier Minuten bis um 11 Uhr. Aber etwas unruhig bin ich doch. Nicht, dass er jetzt doch zum Flughafen rausgejuckelt ist, um mich abzuholen. Als er endlich aus einem der Fahrstühle tritt, kann ich Krach machen, wie ich will. Nach Uwes Rechnung kann ich den Shuttle-Bus nicht bekommen haben, also bin ich auch noch nicht da. Egal, wie laut ich mich hinter ihm räuspere. 


Irgendwann hat die gesamte Lobby samt Uwe. S. mitbekommen, dass ich Krach mache. Hilft uns nicht viel, unser Zimmer ist erst in einer Stunde frei. Uwe checkt kurz um und wir machen uns raus in die Sonne. Wir sitzen draußen bei ...äh...hmmm..tja... Starbucks und ich freue mich doch, dass es einen US-Laden gibt, der richtigen Kaffee machen kann. Uns gegenüber das House of watweißich, daneben Blabla-Fashion, dann ein Big-Echo-Karaoke-Club - alles auf Latein ausgeschildert, nix in japanischen Schriftzeichen. Eine völlig westliche Straße - voll von japanischen Touristen! Überall sind sie. Uwe meint, wahrscheinlich sei Tokio das Mekka japanischer Touristen. Darauf gönne ich mir noch einen Kaffee und wir beziehen unser Zimmer.

Grandioser Ausblick vom 33. Stock: Wir wohnen genau gegenüber dem Tokioter Rathaus, ungefähr in der Höhe, in der die beiden Türme beginnen:


Ich versuche, mich zu restaurieren. Und Uwe will unbedingt den Moment mitbekommen, wenn ich die Keramik aufsuche. Okay – sieht wirklich witzig aus, so ein Toilettendeckel mit Bedienpaneel. Aber er hat uns das doch nun schon vor Jahren auf Fotos gezeigt, weshalb also diese Vorfreude? Ein paar Sekunden später mache ich dann doch „Huch“ und schnelle von der Brille. Dass man so was beheizen kann und dass es sofort anfängt zu spülen, hatte ich nun doch nicht erwartet!


Wir laufen durch Tokio und Millionen Japaner und stoßen nach fünf Minuten auf Silkes Laden. Also auch diese Stadt hat ihren Zara. Ich will nicht rein, ich will in einen Park, der im Reiseführer empfohlen wird. Nicht, dass ich jetzt der Park-Weltreisende werden möchte. Wir waren nur zum Anfang unserer Tour im Yodobashi-Camera, einer Elektronik-Kette. Und ich hatte nach ein paar Minuten Ladenluft realisiert, dass trockene, warme Luft mich in kürzester Zeit aushebeln würde. Ich hatte schließlich nur etwas unruhigen Flieger-Schlaf. Also wollen wir draußen bleiben und mich wachhalten. Der Parkeingang ist schwer zu finden, aber es lohnt. In der Sonne auf dem Rasen sitzen, wunderbar herbstfarbene Bäume, japanische Gartenkunst. Anschließend lassen wir uns über den Tisch ziehen. 25 Eus für ein paar geröstete Fleischspießchen und ein Bier. Willkommen in Japan!

Das Abendessen reißt es wieder raus. Nicht nur, dass wir für fünf verschiedene Gerichte und zwei große Bier bei knapp 35 Eus landen, das ganze Ambiente macht es. Schuhe aus und in Strümpfen durch das Lokal. Kleine Nischen, Bambusvorhänge zwischen den Tischen, jedes Geschirrstück ein getöpfertes Unikat. Und das Essen ist ebenfalls gut, wunderbar japanisch.


Weihnachten ist in Japan etwas sehr eigenes. American Christmas soll ein zusätzliches Jahresendgeschäft schaffen. Überall dudeln amerikanische Weihnachts-Shanties. Es gibt X-Mas-Kitsch und es gibt „The Southern-Terrace-Illumination 2008/2009“. Das hat etwas, um selbst die Amis neidisch zu machen. Wahrscheinlich könnte halb Afrika von dem Strom versorgt werden, der hier Weihnachtsgefühl vermitteln soll. Es glitzert und illuminiert sich ohne Ende. Und die Japaner mögen es. Schön, dass unsere Weihnacht doch noch etwas anders ist.





Kurz vor Mitternacht brechen wir dann noch einen Rekord, den wir erst im Juni aufgestellt haben: den für den teuersten Drink. In Helsinki kamen wir auf der Dachterrasse des Torni-Hotels mit knapp 10 Euro davon,  in Tokio sind wir 30 Etagen höher – in der 45. Ein Tequila-Sunrise muss hier richtig genossen werden, er kostet fast 15 Euro. Dafür glitzert unter uns Tokio samt Tokyo-Tower .  Ach nein, unter uns wird Tokio illuminiert….



Tempen, Tempen, Tempen - 4.12. 2008

Uwe hat sich sein Laserschwert gekauft. Er erzählt seit zwei Tagen, dass er gern eins hätte. Am Nachmittag haben wir nun im Stadtteil für Elektrotechnik die kleinen Straßenläden abgeklappert. Und schließlich – an der letzten Bude - haben wir eins bekommen, das uns nicht gleich arm gemacht hat. Ist zwar nicht so groß und mächtig, aber Uwe ist glücklich. Das war das Wichtigste gleich am Anfang; nun der Rest:

Das Frühstück ist ganz nett. Ich probiere alles Mögliche und werde auch nicht enttäuscht. Wir sitzen auch ganz nett, bis die Sportler einfallen. Irgendeine Meisterschaft ist angesagt – Uwe meint, es seien Judokas. Keine Ahnung, ob er Recht hat, es sind jedenfalls grobschlächtige Typen mit schlechten Manieren. Man kommt einfach in so einem noblen Hotel nicht in abgewrackter Jogginghose, ohne Strümpfe und in Badelatschen zum Frühstück. Alle kennen sich und schreien niederländisch durch das Restaurant. Oder russisch. Mehr Sprachen kann ich nicht identifizieren und Uwe hat keinen Bock auf Identifikation. Er ist genervt.

Erster Anlaufpunkt heute ist Ueno. Ich weiß nicht so recht, was Uwe mir hier zeigen will. Wir laufen eine Weile durch Straßenmärkte und steuern auf den Park zu, in dem sich die meisten der Tokyoter Museen befinden. Uwe weiß nicht so recht, was ich mir hier ansehen will. Wir entscheiden, dass wir uns missverstanden haben. Hinter dem Park ist allerdings ein Tempel, den nehmen wir mal schnell mit, bevor es nach Yanaka geht. Hier soll es noch ursprünglich sein und Häuser aus der Zeit vor dem großen Beben geben. Der Tempel ist enttäuschend. Hast du einen fernöstlichen Tempen gesehen, hast du alle gesehen. Stimmt mal wieder. Auf nach Yanaka, quer über den Friedhof, auf dem irgendwo Tokugawa liegt und die Hälfte seiner Sippschaft. Ich erkläre mehrere Grabanlagen zum möglichen Kaisergrab. Alles Humbug. Am Ausgang steht ein Plan und wir merken, dass wir das Tokugawa-Grab ziemlich am Anfang direkt in unserem Rücken hatten. Umkehr? Eigentlich nicht:  Hast du ein fernöstliches Grab gesehen, hast du alle gesehen. Wir kämpfen uns durch Yanaka, das nicht viel hergibt, auch nicht an Häusern aus der Zeit vor…  Dafür gibt es Tempel an jeder Ecke. Mal mit Brettersammlung(Friedhof), mal ohne. 

U-Bahn. Ich bin mal wieder billiger unterwegs als Uwe. Wir wissen nicht, wieso sein Ticket beim Umsteigen geschluckt wurde. Wir wollen nach Asakusa, zum Asakusajinja-Tempel. Wahrscheinlich müssen alle hier mal hin, sowohl die japanischen als auch die US-Touristen. Um an den Tempel zu gelangen, quält man sich zunächst durch eine Gasse mit kleinen Souvenirläden. Hier werden auch die berühmten kleinen Waffeln per Hand hergestellt. Oder sind es Kekse? Nach ein paar Minuten Zuschauen entscheide ich mich für Waffelkeks. Es duftet lecker, aber es ist zu teuer.


Am Ende der Gasse ein riesiges Tor und dahinter viel Zeremonie. Wir machen alles mit. Erst wird beweihräuchert, dann rituell gewaschen, dann getrunken. Macht Spaß. Aufstieg zum Schrein. Ich seh Buddha nicht, aber der Buddhismus ist unverkennbar (Ein Freund wird uns später erklären, dass die Statue hier so heilig ist, dass sie versteckt wird vor den Blicken der Menschen).  Wir kaufen uns ein Andenken, Uwe möchte eine zweite von den kleinen japanischen Holzpuppen. Puppe ist eigentlich ein doofes Wort dafür. Wir finden jedenfalls schnell eine, die uns beiden gefällt und die zu unserer ersten passt. Uwe hat schon die dritte für seine nächste Japan-Reise gefunden: einen Samurai. Kurze Überlegung, Maiken einen geschnitzten Holzkamm mitzubringen, kurzer Blick auf den Preis, kurzes Kopfschütteln. Seidenmalerei ist erschwinglicher, aber wer von unseren Freunden steht auf so etwas?


Mittagessen gestaltet sich schwierig in Asakusa. Die Suppenläden schauen nicht vertrauenswürdig aus. Wir entschließen uns, gleich ins Elektronikparadies zu fahren. Das kenne er wie seine Westentasche, meint Uwe. Jetzt kommt sein Laserschwert – aber das hatten wir schon. Ergänzen muss man nur, wie das Teil verpackt wird. Der Ladenbesitzer kramt eine etwa einen Meter lange, sehr schmale Plastetüte hervor. Er misst ab, wie lang das Laserschwert ist, geht mit der Tüte zum Raum-Ende und schweißt sie auf die richtige Länge zurecht. Die Japaner haben selbst in der kleinsten Hütte Hightech. Dann gibt’s endlich was zu essen. Ticket am Automaten ziehen – blind sozusagen, da wir außer den Zahlen nix lesen können. Im Schaufenster der „Suppenstube“ waren zwar schöne Plastik-Muster-Gerichte zu sehen. Wir haben auch versucht, uns die ersten Schriftzeichen zu merken, nur ist am Automaten innen leider ein anderer Schriftstil. Es schmeckt trotzdem und Uwe bekommt sogar das, was er wollte.


Im Yodobashi-Camera haben wir dann Spaß in der Haushaltsabteilung. Und ich merke, dass unsere Hotel-Klobrille doch ziemlich billig ist. Kann höchstens 350 Euro gekostet haben. Oder vielleicht 400. Aber richtig gut werden die Teile erst ab 570. Und einen Deckel, der sich öffnet, wenn man in Klo-Nähe kommt, gibt es sogar erst ab etwa 950. Die spinnen, die Japaner! Witzig auch die kleinen automatischen Bodenkehrer. Aber ebenfalls witzig teuer. Wir kämpfen uns durch 7 oder 8 Etagen Technik und sind jetzt auf dem neuesten Stand. Und ich brauch einen Kaffee.



Wir sind zu spät zum Abendbrot. Kein Reinkommen mehr so ab halb neun. Wir landen schließlich wieder in einem Spießchen-Grill-Restaurant. Wir „freuen“ uns auch wieder über die Rechnung. Morgen wird gespart! Ich will noch bis Mitternacht durchhalten. Dann sind wir definitiv die Ersten, die meinem Vater zum Geburtstag gratulieren. Dürfen wir, wir haben dann schon den 5.12.

 5. 12- Ein Tag in der Zukunft

Manchmal wird einem schlagartig bewusst, was so anders ist. Wir sind am Abend auf dem Weg zum Hotel, als mir klar wird, was für mich Tokyo von anderen Weltstädten unterscheidet. Es hat nichts altes. Die drei Tempel klammern wir jetzt mal großzügig aus. Es gibt nichts aus anderen Jahrhunderten, es gibt noch nicht mal klassische Moderne und Jugendstil, der ja sogar in China ab und an mal auftaucht. Alles beginnt hier mit Beton aus den 50ern oder 60ern. dazu sind die Japaner betont westlich. Ein guter Anzug ist hier alles. Es herrscht ein unglaublicher Druck, gut und klassisch elegant gekleidet zu sein. Ich komme mir mit meiner schwarzen Jeans ab und an schon schäbig vor. Aber heute bin ich zu müde, um darüber nachzudenken. Ich war noch früher wach als gestern. Das Defizit ist spürbar. Wir müssen nach Frühstück und langem Anlauf in den Tag dann auch erst mal zu Starbucks und uns dopen. Vor dem Cafè ist heute Unterhaltung pur. Fünf Ordnungskräfte unterschiedlichster Art versuchen höflich, einen Mann festzunehmen - oder sowas ähnliches. Zugepackt wird nicht, nur gedrängt und eingeredet. Riesenpublikum, offenbar ist sowas nicht so oft zu sehen. Die Show läuft noch, als wir unseren Kaffee fertig geschlürft haben. Es sind noch zwei Polizisten mehr geworden und der "Verbrecher/Ruhestörer" sitzt inzwischen schmollend auf dem Boden.


Wir fahren in das absolute Zentrum des Zentrums. U-Bahn-Stationen Ginza und Tokyo. Ziel ist das Sony-Center. Willkommen in der Zukunft. Auf mehreren Etagen kann man durch Showrooms wandern und sich auf all das Zeugs freuen, dass uns in ein paar Jahren die Zeit vertreiben wird. Wir sind von Noise Cancell-Kopfhörern, Surround-K opfhörern, Kameras, Fotoapparaten in Kreditkartengröße, Mediaboxen und TV-Systemen begeistert. Dazu gibt's ne Menge technischer Spielereien, die wir in unserem Alter nicht mehr brauchen, aber die ganz witzig sind. Anschließend wandeln wir auf einem der teuersten Pflaster der Welt: der Ginza, dem Edel-Geschäfts-Boulevard Tokios. An sich eine hässliche Straße, aber so unter Reich und Schön fühlt man sich doch auch mal ganz wohl. Den Leuten, die hier versuchen, ihr Geld los zu werden, sieht man ihren Reichtum auch an. Wir geben nix aus, wir fühlen uns nur schön. :-)


Durch die Schluchten der Seitenstraßen lugt etwas Utopisches. Der Stadtplan verheißt uns das Tokyo International Forum. Ein Kaufhaus samt Starbucks liegt noch dazwischen, dann steuern wir direkt auf das Raumschiff Titanic zu. Ein unglaublicher Bau. Wir beneiden beide den Architektzen, der sich hier seinen Lebenstraum erfüllen konnte, und sind einfach nur baff. Das "Haus" wird ausführlich erkundet. Irgendwann muss ich Uwe ausbremsen, wir sehen einfach nicht stuffig genug aus, um "Stuff only" zu übertreten.


Beim Abendessen haben wir diesmal mehr Glück, landen relativ schnell bei einem Taiwanesen und kommen mit 40 € davon. Uwe weigert sich standhaft, mit mir einmal in ein Pachinko&Slot zu gehen - die japanische Abart von Spielhölle an jeder Ecke. Na dann bleibt bloß der Yodobashi. Wir finden den Super-Kopfhörer mit der Rauschunterdrückung - aber er ist teurer als im Sony Center. Die Mediabox ist nirgendwo zu sehen. Schade. Für heute reicht's.


Ach  - mal eine persönliche Frage: Liest außer den Jensern F. und  U., Marlies und Doris eigentlich jemand, was wir hier so fabrizieren? :-)) - OH - es gibt doch einige Antworten. Freu!

6.12. - Arigato, Arigato

Wie wär’s denn mal mit einem japanischen Tag. Also so ganz und gar japanisch. Wir wechseln morgens das Frühstücksrestaurant. Dunkel getäfelte Räume mit Ikebana, Aquarien und Bonsai. Alles sehr ruhig. Das macht erst mal einen guten Eindruck. Am Buffet erkenne ich Würstchen, Reis und Grapefruit. Alles andere sieht entweder interessant aus oder so, dass ich lieber nicht wissen will, was es ist. Einmal durchgewandert, und ich weiß alles. Auch wenn’s mir nicht passt. Der Frank probiert fast alles, der Uwe lässt fast alles probieren, bevor er probiert. Der erste Gang hebelt uns nicht aus. Also getraue ich mich: der rohe Fisch. Sehr salzig, sehr weich. Muss man nicht haben, da sind wir uns einig. Ich schleppe außerdem ein geschlossenes Gefäß zum Platz, in dem irgendwas mit Ei ist. Man kann am Buffet schlecht reingucken, sich ekeln und es wieder hinstellen. Also mit zum Tisch. Es ist wie dünner Ei-Pudding mit irgendwas, das durchaus Gemüse sein könnte, darin. Außerdem habe ich mir noch Fischkuchen mitgenommen, den ich nach einem Bissen großzügig liegen lasse. Sagen wir mal, ich bin eh satt…




Zunächst schielen wir aus dem Fenster und siehe da: Wir können die Berge sehen. Das heißt laut Uwe, dass hinter dem Rathaus der Fuji sichtbar sein sollte, wenn man mal schnell auf die 45. oder so hochfährt. Wir ham's ja nicht weit: aus dem Haus, unter der Straße durch, rein ins Haus. Wir nehmen den Süd-Turm. Der Aufzug zischt hoch, drei mal Schlucken. Tolle Aussicht auf alles, nur nicht auf den Fuji. Genau da ist Dunst! Mist! Na, wenigstens hatte ich ihn beim Anflug schon mal...







Es ist nochmals Tempen angesagt. Eigentlich kein Tempel, ein Schrein, wie das hier gern genannt wird. Wir machen uns auf zum wichtigsten Shintoismus-Schrein Japans. In den ersten Tagen eines Jahres pilgern bis zu 3 Millionen Menschen zum Meiji-Schrein. Uwe hofft, dass wir eine japanische Hochzeit sehen. Er hatte schon mal das Glück. Wir pilgern mit nicht ganz drei Millionen, von denen 500.000, meiste weibliche Pilgerer, ihren Rollkoffer durch den groben Schotter zerren und jede Anwandlung von Besinnung auf dem Weg zum Schrein plattwalzen.



Wir rätseln eine Weile, ob Frauen im traditionellen Kimono mit traditionellen Latschen besondere traditionelle Socken haben? Die Latschen sind nämlich den Flipflops nicht unähnlich. Es ist erstmal nicht rauszubekommen. Am Schrein angekommen erfüllen sich Uwes Prophezeiungen. Es gibt eine japanische, traditionelle Hochzeit zu sehen. Besser gesagt sehen wir, wie ein Team von Fotografen eine Familie choreografiert. Die brauchen echt viel Geduld -  die Familienangehörigen. Den Fotografen passt dies und jenes nicht. Vor allem der Rock des Bräutigams will partout nicht in Shengfui-gerechte Falten fallen. Die Braut lächelt tapfer. Auch zu all den Schaulustigen, die sich langsam um die Szenerie sammeln und fixer mit dem Fotografieren sind, als die drei Profis daneben.  Und dann wird plötzlich ein, zwei Mal geknipst und das war’s.


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